Berufliche Bildung ist eine erste Wahl – Das Berufskolleg an der Lindenstraße stellt seine BKaL-360-Strategie auf dem Global Forum der UNESCO vor

Am zweiten und dritten Dezember 2019 veranstaltete die UNESCO-UNEVOC auf dem Gelände der Vereinten Nationen in Bonn ein globales Forum unter dem Motto „Advancing Learning and Innovation in TVET“ (Lern- und Innovationsförderung im berufsbildenden Bereich), und das Berufskolleg an der Lindenstraße war dabei.

Tagung bei der UNESCO-UNEVOC in Bonn

Die UNESCO-UNEVOC ist das Fachzentrum für technische und berufliche Bildung und Ausbildung (TVET) und unterstützt die UNESCO-Mitgliedsstaaten weltweit bei der Stärkung ihrer Berufsbildungssysteme. So waren über 100 Delegierte aus mehr als 40 Ländern vertreten, darunter auch 65 Ministerien sowie internationale als auch nationale Akteure aus dem berufsbildenden Bereich. Aus Deutschland kamen zum Beispiel das BIBB (Bundesinstitut für berufliche Bildung), das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und eben auch das Berufskolleg an der Lindenstraße.

 

Ziel der Tagung war es, einen Grenzen übergreifenden Austausch über Innovation und Weiterentwicklung in der beruflichen Bildung unter den verschiedenen Akteuren zu ermöglichen. Das geschah vor dem Hintergrund, dass die UN die Berufsbildung als ein wichtiges Ziel zur nachhaltigen Entwicklung in ihrer Agenda 2030 verankert hat. Auf einem Markt der Möglichkeiten stellte das Berufskolleg an der Lindenstraße in diesem Rahmen seine BKaL-360-Strategie vor.

Berufskolleg an der Lindenstraße innovativ bei Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Das Berufskolleg war zuvor wegen seiner innovativen Arbeit im Bereich Nachhaltigkeit für das FOENAKO-Projekt (Förderung von Nachhaltigkeitskompetenzen im Einzelhandel) 2018 als UNESCO-BNE-Netzwerk und 2019 als BNE-Lernort ausgezeichnet worden (BNE: Bildung zur nachhaltigen Entwicklung). Als eine von nur zehn berufsbildenden Institutionen weltweit war die Schule von der UNESCO-UNEVOC aufgefordert worden, bei dem Projekt I-HUBS (Innovationsnetzwerke) teilzunehmen. Dieses von Mai 2019 bis März 2020 laufende Projekt widmet sich der Entwicklung eines Analysewerkzeugs, mit dem die Innovationsstärke von berufsbildenden Institutionen gemessen werden soll. Dafür hatten sich die teilnehmenden Institutionen einer von der UNESCO angeleiteten Selbsteinschätzung unterzogen und einen Handlungsplan für weitere Innovationen entwickelt. Das Berufskolleg an der Lindenstraße hat aus seiner Selbstanalyse, die im Juli 2019 stattfand, dann als Konsequenz seine BKaL-360-Strategie entwickelt.

Mit seiner Strategie fügt sich das BKaL gut in die Bestrebungen der UNESCO-UNEVOC ein, zum einen den durch den Klimawandel und die fortschreitende Digitalisierung entstandenen Herausforderungen innovativ zu begegnen und zum anderen der beruflichen Bildung ein größeres Gewicht zu geben. Das Berufskolleg sieht sich nämlich in Köln einer wachsenden Anzahl von Gesamtschulen gegenüber. Währenddessen sinkt die Zahl der Realschulen, aus denen bisher die Schülerinnen und Schüler für die Höhere Handelsschule und das Wirtschaftsgymnasium rekrutiert wurden. Das bedeutet, dass das BKaL sich im Vollzeitbereich gegenüber einer wachsenden Konkurrenz behaupten muss.

Da das Berufskolleg an der Lindenstraße auf Grund seiner vielfältigen Arbeit in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung schon weit fortgeschritten ist, ist es hier gegenüber allgemeinbildenden Gymnasien und Gesamtschulen in vielen Fällen voraus. Zum Beispiel ist die Schule schon seit 2014 Fairtrade-Schule und hat Aspekte des fairen Handels in fast allen didaktischen Jahresplanungen seiner Bildungsgänge fest verankert. Ein Schulteam aus Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften plant regelmäßig Aktionen rund um den fairen Handel. Darüber hinaus wurde der Differenzierungsbereich der Höheren Handelsschule umgestaltet, sodass nun auch ein Kurs zum nachhaltigen Wirtschaften angeboten wird. Im Berufsschulbereich gibt es beispielsweise im Einzelhandel zudem Differenzierungsangebote zum nachhaltigen Handel, die mit den im FOENAKO-Projekt erstellten Lernsituationen arbeiten.

Digitalisierung hat am Berufskolleg an der Lindenstraße ebenfalls eine lange Tradition: IPad-Klassen und Smartboards, die andernorts gerade eingeführt werden, haben wir bereits wieder abgeschafft und verfolgen nun eine Bring-Your-Own-Device-Politik. Das bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler sich mit ihren eigenen Geräten im WLAN der Schule anmelden und über eine Office365-Lizenz verfügen, mit der sie alltäglich in der Schule die Office-Programme benutzen, mit denen sie im Berufsleben auch umgehen können müssen. Auf digitalen Plattformen wie Moodle und OneNote stellen die Lehrerinnen und Lehrer Unterrichtsmaterialien in lebendiger Form zur Verfügung und können diese auch in jedem Klassenraum von ihren Tablets auf die überall vorhandenen Beamer an die Wand projizieren. Sensible Daten werden verschlüsselt und auf einem schuleigenen Cloud-Server gespeichert.- Von der technischen Ausstattung sowie der in jahrelanger täglicher Arbeit gewonnenen Medienkompetenz des Kollegiums können viele Kollegien an allgemeinbildenden Schulen nur träumen.

Optimale Berufsorientierung durch Berufsberatung auf Augenhöhe

Während die Aspekte Bildung für ein nachhaltige Entwicklung und Digitalisierung und Medienkompetenz schon zwei Indikatoren für die Ausrichtung der Schulbildung am Berufskolleg an der Lindenstraße auf eine sich wandelnde Welt sind, fokussiert die BKaL-360-Strategie auf eine Optimierung der Berufsorientierung an der Schule, die so von keiner allgemeinbildenden Schule geleistet werden kann. Das Berufskolleg hat einen Plan entwickelt, um den Vollzeitbereich (Höhere Handelsschule und Wirtschaftsgymnasium) und die Berufsschule systematisch miteinander zu vernetzen. Schließlich werden in dem Berufsschulzweig des Berufskollegs an der Lindenstraße sieben Ausbildungsberufe im Rahmen des dualen Systems schulisch begleitet. Was liegt da näher, als die Auszubildenden ihre Ausbildungsberufe vor den Schülerinnen der Höheren Handelsschule und des Wirtschaftsgymnasiums präsentieren zu lassen. Viele Schülerinnen und Schüler dieser Bildungsgänge streben eh eine Karriere im Bereich Wirtschaft und Verwaltung an und können sich so von den Auszubildenden bei dieser „Berufsberatung auf Augenhöhe“ ohne große Hemmschwelle über die Ausbildungsinhalte und -betriebe informieren lassen. Klassen aus dem Dialogmarketing und dem Büromanagement bieten diese Beratung seit vielen Jahren bereits im Rahmen einer obligatorischen Projektarbeit an. Ab dem Schuljahr 2020/21 werden in einer Pilotphase systematisch alle sieben Berufe allen neuen Schülerinnen und Schülern der Höheren Handelsschule vorgestellt. Das heißt, dass diese alle schon einen Einblick in die angebotenen Ausbildungsberufen und Kontakte zu den Betrieben bekommen in den Bereichen Immobilien, Büromanagement, Dialogmarketing, Einzelhandel, Verwaltung, Justiz sowie Sport- und Fitness. Neben den zahlreichen weiteren Beratungsangeboten im Rahmen des ministeriell allen Schulen der Sekundarstufe verordneten Projekts KAoA (Kein Abschluss ohne Anschluss) bietet das Berufskolleg an der Lindenstraße durch diese innovative Optimierungsmaßnahme also eine Berufsorientierung im Bereich Wirtschaft und Verwaltung, die allgemeinbildende Schulen nicht leisten können. Dabei legt das BKaL auch Wert auf eine umfassende Bildung, was sich beispielsweise in regelmäßigen Theaterprojekten, Schreibwettbewerben und politischen Podiumsdiskussionen zeigt.

Berufskollegs im Bewusstsein der Eltern verankern

Ein Ziel der BKaL-360-Strategie ist es, diese Botschaft zu verbreiten, denn vielen Eltern ist der Weg zu einem höheren Schulabschluss über das Berufskolleg nicht bewusst. So schicken sie ihre Kinder aus dem einfachen Grund auf ein Gymnasium, weil sie denken, dass es ansonsten keine Möglichkeit gäbe, später beruflich erfolgreich zu sein oder ein Studium zu beginnen. Doch dies ist ein Irrglaube und viele Kinder könnten sich auf einer Realschule oder einer Gesamtschule wahrscheinlich besser entwickeln als auf dem Gymnasium und mit einem unbeschadetem Selbstbild ihre höheren Schulabschlüsse dann auf einem Berufskolleg erwerben. Dort würden sie von der hervorragenden Berufsorientierung profitieren und könnten für den Fall, dass sie ein Abitur am beruflichen Gymnasium erwerben, trotzdem im Anschluss jedes beliebige Fach studieren. Es wäre sinnvoll, diese Botschaft im Namen der Berufskollegs mit Vollzeitbildungsgängen schon an die Eltern der Grundschulkinder zu tragen.

Auf dem Global Forum der UNESCO-UNEVOC stellte Lars Lamers die BKaL-360-Strategie als Koordinator des I-Hubs-Projekts für das Berufskolleg an der Lindenstraße vor. Obwohl die Bildungssysteme international sehr verschieden sind, stieß seine Präsentation auf Interesse von Vertretern ausländischer Berufsbildungsinstitutionen und die Schule erhielt im Nachgang des Forums Anfragen für einen weiteren Austausch. Wenn man das Nischendasein betrachtet, welches die Berufskollegs trotz ihrer qualitativ hochwertigen Bildungsgänge im Bewusstsein vieler Eltern besitzen, wünscht man sich, dass auch innerhalb Deutschlands mehr Informationen über diese Schulform verbreitet werden.

Fotos: UNESCO-UNEVOC